Nachdem im letzten Blogbeitrag der zweite Teil (ist der längste Teil) von Max Ottes „Weltsystemcrash“ [FinanzBuch Verlag, München 2019, 640 Seiten, 24,99 Euro] betrachtet wurde, sollen nun der erste und der dritte Teil des Buches unter die Lupe genommen und damit die Buchbesprechung abgeschlossen werden.
Bevor wir dazu kommen, kurz zu dem Grundanliegen des Autors. Er schreibt auf Seite 390 f. :
„Ich habe in diesem Buch zwei Entwicklungen beleuchtet, die nicht nachhaltig sein können und die eine neue Weltordnung geradezu herbeizwingen werden. Die erste ist geopolitischer Natur: der relative Abstieg der USA und der Aufstieg Chinas. Die zweite ist gesellschaftspolitischer und sozialer Natur: der Abstieg der Mittelschicht und der Aufstieg einer neuen Klasse von Superreichen. Wenn Sie wollen, können Sie noch eine dritte Entwicklung hinzufügen: den (menschengemachten) Klimawandel. Ich persönlich habe mit den ersten beiden genug Stoff zum Nachdenken.“
Was mich an dieser Stelle erstaunt, ist, dass Max Otte eine wesentliche Crash-Entwicklung nicht aufzählt, die zum Welt-Finanzcrash führen wird: das übermäßige Ansteigen der Schulden in der Welt. [Siehe dazu auch meinen Blogbeitrag „Crash oder Eiszeit? – eine globale Finanzkrise kommt auf uns zu“] Auch einige andere Autoren, wie Daniel Stelter gehen davon aus, dass es dazu kommen wird. Eigentlich hätte diese starke Bedrohung verdient, ein eigenes Kapitel in der Crash-Bibel von Otte zu bekommen. Aber weder im ersten, noch im zweiten, noch im dritten Teil lässt sich solch ein Kapitel finden. Nur im Teil II, auf S. 149/150 geht Max Otte kurz auf das Problem ein, und an mehreren Stellen spricht er von der lockeren Geldpolitik oder von der Geldschwemme der großen Notenbanken, die das Welt-Finanzsystem destabilisieren. Aber die Gefahr liegt eben nicht nur in der Politik der Notenbanken, sondern auch im Schuldenmachen der Staaten, Unternehmen und privaten Haushalte.
Was sich an Kapiteln im Teil I findet, ist der Abstieg der USA als Weltmacht und entsprechend der Aufstieg Chinas sowie Eigenschaften der Globalisierung und wie die USA in den letzten Jahrzehnten ihren Stempel bei Welthandelsfragen aufgedrückt haben.
Überhaupt misst Max Otte dem Wechsel in der Weltführungsposition von den USA auf China besonderes Crash-Potential bei. Er begründet das historisch und geht bis zu dem griechischen Historiker Thukykides (454 – 399/396 v.Chr.) zurück. Dieser hatte gemeint, dass der Aufstieg Athens und der Niedergang Spartas zu einem langen, mörderischen Zermürbungskrieg führen musste. Diese Erkenntnis wird nun auf ähnliche Situationen eines internationalen Führungswechsels in der Neuzeit ausgedehnt. Allerdings sieht man an den letzten Jahrzehnten, dass Kriege nicht nur beim Führungswechsel, sondern auch auf dem Höhepunkt US-amerikanischer Dominanz keineswegs seltener waren. Kriege können aus unterschiedlichen Ursachen und Bedingungen entstehen (auch aus Gründen, die Max Otte favorisiert), sie aber nur auf eine Komponente zu begrenzen, halte ich für zu kurz gedacht.
Manche Seiten von Max Ottes Darstellung sind gut lesbar, besonders dann, wenn er sich auf die Fakten konzentriert und eine eigene vorgefasste Meinung heraushält. Zum Beispiel das Kapitel über den Aufstieg Chinas ist ein solches, wo er zeigt, mit welchen Instrumenten und Schritten Chinas Expansionsstrategie verknüpft ist. Nicht so überzeugend sind andere Stellen, die sogar tendenziös sind, wie zum Beispiel Seite 33, wo Otte schreibt:
„In Venezuela begann im Januar 2019 ein Staatsstreich mit ungewissem Ausgang. Amerika und viele europäische Länder stellten sich schnell auf die Seite der vom selbst ernannten Übergangspräsidenten Juan Gaidó angeführten Putschisten, China und Russland unterstützen den gewählten Präsidenten Nicolás Maduro, auf den bereits mehrere Mordanschläge verübt worden waren. Der Bevölkerung in Venezuela geht es aufgrund der westlichen Sanktionen schlecht. In der Folge haben mehrere Millionen Menschen als Flüchtlinge das Land verlassen, was umliegende Länder wie zum Beispiel Peru belastet. Hier geht es auch um viel Öl und um die Frage, in wessen Hand die Kontrolle über dieses Öl in Zukunft sein wird.“
Hier wird völlig ausgeblendet, dass es erst die Politik von Nicolás Maduro und seinem Vorgänger Hugo Chávez war, die Venezuela ruiniert hat. (Die Interessen der USA sollen damit keinesfalls geleugnet werden!)
Man hat als Leser generell den Eindruck, dass Max Otte sich von bestimmte Grundlinien seiner Kritik leiten lässt, wie zum Beispiel, von einer gewissen Trump-Sympathie, einer Abneigung gegen die US-amerikanischen Demokraten, einer Abneigung gegen die europäische Union und den Euro, (siehe Teil II seines Buches, letzter Blogbeitrag) und einer Sympathie für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Urbán. Wenn man diese Meinung mit Meinungen von Parteien in Deutschland vergleicht, stößt man auf eine Eigenheit: Das, was Max Otte an den öffentlichen Medien in Deutschland kritisiert, dass es einem Mainstream gibt, gibt es auch bei der Kritik an diesen Medien: einen Mainstream!
Auch die starke nationale Komponente in Max Ottes Ansichten: Deutschland nimmt seine nationalen Interessen im internationalem Geschehen nicht genügend wahr, passt zu diesem Mainstream. Er macht das anhand der Europäischen Union und der Einführung des Euro besonders fest. (s. meinem letztem Blogbeitrag).
Gerade das, was Otte ausklammert (siehe das Eingangszitat von ihm zu diesem Blog „Wenn Sie wollen, können Sie noch eine dritte Entwicklung hinzufügen: den (menschengemachten) Klimawandel. Ich persönlich habe mit den ersten beiden genug Stoff zum Nachdenken.“), würde seine Weltsicht anreichern. Er würde damit ein wenig die nationale Ebene verlassen und sich internationalen Herausforderungen zuwenden.
Außer Zweifel werden wir in unserem 21. Jahrhundert von Katastrophen und Crashs erschüttert werden. Dazu zählt gewiss ein Crash im Weltfinanzsystem, aber auch Klimaveränderungen und Veränderungen bei der Gesundheit unserer Erde, die uns (im einzelnen und als Menschheit) noch schwer treffen werden. – Darüber hinaus können uns auch noch andere, plötzliche und unvorhergesehene, Szenarien stark zu schaffen machen, wie die augenblickliche Corona-Virus-Epidemie beweist.
Zum dritten Teil des Buches
Der dritte und letzte Teil des Buches ist mit „Auswege“ überschrieben. Max Otte meint damit, wie man sich am besten auf den Weltsystemcrash, den er sieht, vorbereiten sollte. Wohltuend ist, dass er, bevor er konkret wird, ein Kapitel mit der Überschrift „Einen klaren Kopf bewahren“ voranstellt, in dem solche Sätze auftauchen wie: „Es ist wichtig, dass Sie mit Aufmerksamkeit und Gelassenheit in die Phase des Umbruchs eintreten. Vieles kann passieren, auch sehr unschöne Dinge. Manche kündigen sich bereits an. Wir wissen nicht, was kommen wird.“ (S. 426)
In diesem Kapitel lernen wir Otte von seiner persönlichen Seite kennen. Er liest trotz Internet noch immer gern Bücher, hält Traditionen hoch, pflegt Freundschaften (spricht von der Wichtigkeit sozialen Kapitals!).
In den folgenden zwei Kapiteln sind verschiedene Vorschläge sowohl für den Katastrophen- als auch den Vermögensschutz aufgezeigt. Bei dem unmittelbaren Katastrophenschutz rät er vor allem, nicht zu übertreiben und das richtige Maß zu finden. Reiche Menschen sind dabei besonders privilegiert, sie können sich einen Zweit-Wohnsitz im Ausland leisten. In dem Buch findet sich sogar eine Liste, welche Länder in Bezug auf die Kapitalanlage besonders sicher sind. An der Spitze stehen die Schweiz, Liechtenstein und Neuseeland.
Bei dem Vermögensschutz ist Otte nicht solch ein progressiver Kopf, dass er an der herkömmlichen Empfehlung für Vermögens nicht festhalten würde: ein Drittel Aktien, eine Drittel Anleihen, ein Drittel Immobilien – und ein Drittel des Vermögens im Ausland. Auch eine Beimischung von Gold 10-15 %, für besonders konservative Anleger bis 20 %, hält er bei der Vermögensaufteilung für geraten. Man sieht schon, es geht darum, das Vermögen, falls man eines hat, aufzuteilen. Und das ist ja auch, selbst wenn kein Crash drohte, nicht schlecht. Die Finger lassen sollte man seiner Meinung nach von Produkten, wo Sicherheit drauf steht, aber keine Sicherheit drin ist (wie Lebensversicherung), oder wo Sicherheit teuer bezahlt wird (Sicherheits-Aktien-Fonds). In dieselbe Kategorie gehören Finanzderivate (Garantie-, Bonus- und Discountzertifikate). Natürlich macht Otte auch für die eigenen Fonds etwas Reklame, aber das ist in diesem Rahmen erlaubt.
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Otte gibt sich immer als deustcher konservativer Ökonom (Erhard-Schule nach 1945), aber er es zeigt sich, dass er auch über den Tellerrand der eigenen Nation, die innere Deutschland-Fahne hinausblicken kann !