Etliche Menschen denken, zumindest in den Industriestaaten, wir könnten unsere Umweltprobleme in den Griff bekommen, wenn wir unser Wirtschaftswachstum einstellen. Aber schon da liegt die erste Hürde, denn es käme nicht nur darauf an, unser Wachstum einzustellen und nicht mehr wirtschaftlich weiterzuwachsen, sondern sogar es abzuschmelzen, d.h. unsere Wirtschaft müsste schrumpfen. Und das nicht nur in einem Land, sondern in allen Industriestaaten gleichzeitig. – Aber ob da alle Industriestaaten mitmachen würden?
Weiter: Wirtschaft schrumpfen, was das heißt, erfahren wir gerade in der Corona-Krise. Das heißt auch, dass die Leute weniger Geld verdienen und sich mit weniger begnügen müssen. Das steigert nicht gerade die allgemeine Zufriedenheit. Auch Erfahrungen in der Geschichte haben gezeigt, immer wenn es durch Wirtschaftskrisen mit der Wirtschaft bergab ging, sank auch die Zufriedenheit der Leute. Sie waren eher geneigt, irgendwelchen Populisten, Nationalisten, Extremisten ihr Ohr zu schenken und auf „einfache“ Lösungen zu setzen.
Heißt das nun, dass wir zum Untergang verurteilt sind, weil wir unsere Umweltprobleme nicht in den Griff bekommen können?
Bevor wir diesen Schluss ziehen, sollten wir analysieren, wo unsere Probleme beim Umweltschutz liegen. Vielleicht gibt es doch eine Möglichkeit, wie wir damit fertig werden, ohne unsere wirtschaftliche Aktivität einstellen zu müssen.
Die größten Probleme bei der Umweltverschmutzung
Um unsere größten Probleme bei der Umweltverschmutzung zu veranschaulichen, folgende Grafik:
Den grauen, unteren Bereich in der Säulen-Grafik stellen die fossilen Energieträger dar. Dass sie uns Probleme bereiten, wenn wir sie zu sehr nutzen, ist erkannt worden, und es werden schon erste Schritte dagegen unternommen. Ich sage nur Aktionen gegen den Klimawandel.
Wo es fast völlig hapert, bzw. was noch in den Anfangsgründen steckt, sind Schritte gegen die übermäßige Nutzung von Metallen, Mineralien und Biomasse. Man könnt dazu auch sagen: gegen die übermäßige Nutzung von natürlichen Ressourcen wie Rohstoffe, Wasser und fruchtbares Land. Aber verwenden wir die erste Formulierung. Wir müssen die Nutzung von Metallen, Mineralien und Biomasse unbedingt senken.
Eigentlich ist die Ressourceneffizienz in den letzten 30 Jahren z.B. in Europa gestiegen:
„Um einen Euro Bruttoinlandsprodukt zu erwirtschaften, benötigt die Weltwirtschaft heute etwa 30 Prozent weniger Ressourcen als noch vor 30 Jahren. Trotzdem wächst der Ressourcenverbrauch weiter. Die Ressourceneffizienz steigt in Europa und weltweit kontinuierlich an. Da wir jedoch immer mehr Güter und Dienstleistungen konsumieren, werden die Effizienzgewinne durch das Wachstum der Wirtschaft mehr als kompensiert.“ [https://www.global2000.at/publikationen/report-wie-viel-ressourcen-verbrauchen-wir]
Wir stecken gewissermaßen in einem Teufelskreis. Wir haben in den letzten 30 Jahren neue Technologien eingeführt, die materialschonender oder materialsparender sind (wie bei Handys, Autos, Haushaltsgeräten usw.), aber gleichzeitig verbrauchen wir mehr Material. Und das gilt für Europa, wie für die ganze Welt. Da die Industrie die Kostenvorteile durch eingesparte Materialien an den Kunden weitergibt, durch den Wettbewerb, kaufen sich die Kunden eher ein neues Gerät oder neue Bekleidung oder eine größere Wohnung. usw.
Das Bestreben aller Menschen auf der Welt, auch in den Entwicklungsländern, ist, mehr Einkommen zu generieren und sich davon mehr zu kaufen und besser zu leben.
Wir übernutzen jetzt schon unsere Erde, wir vergiften sie und lassen ihr keine Zeit sich zu regenerieren und sind dabei, uns selbst abzuschaffen.
Wo ist der Ausweg aus dem Umweltkollaps?
Mit Appellen allein ist es nicht getan. Auch die Technologie allein hilft uns nicht, das haben die letzten 30 Jahre gezeigt. Wir müssen tatsächlich weniger Metalle, weniger Mineralien, weniger Biomasse verbrauchen, in absoluten Größen! Wir brauchen also genauso eine Massenreduktion dieser Stoffe, wie wir uns darauf verständigt haben, Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid weniger auszustoßen bzw. ihn auf 1990 einzufrieren.
Soweit ich im Augenblick sehe, kommen dafür zwei grundsätzliche Methoden oder Modelle in Betracht:
- 1. Modell: Ähnlich wie die europäischen Fischfangquoten kann man Quoten in Tonnen festlegen, wieviel Metalle und Mineralien im Jahr abgebaut oder bewegt werden dürfen – bei der Biomasse muss man es vielleicht ein wenig anders machen, und die Fleischproduktion begrenzen oder sie auf Bioproduktion beschränken.
- 2. Modell: Oder man vergibt Zertifikate, ähnlich wie Zertifikate für den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß, die berechtigen so und so viel Tonnen Metalle (Eisen, Aluminium, Kupfer usw.) und so und so viel Tonnen Mineralien (Sand, Kies, Zement, taubes Gestein in Bergbau usw.) abzubauen. Da Wasser beim Bergbau oder beim Abbau auch eine große Rolle spielt, sind die Zertifikate auf die Verunreinigung von Wasser auzudehnen.
Was bei diesen Modellen gewahrt bleiben muss, ist der technische Fortschritt. Diejenige Firma, die zum Beispiel weniger taubes Gestein beim Metallabbau bewegt, muss natürlich im Vorteil gegenüber derjenigen sein, die mehr taubes Gestein bewegen muss. Von dieser Seite her, wäre das 2. Modell gegenüber dem 1. Modell zu bevorzugen, denn die effizientere Firma brauchte weniger Zertifikate, um taubes Gestein zu bewegen. Insgesamt gibt es natürlich bei beiden Modellen einen Pferdefuß!
Der Pferdefuß bei beiden Modellen der Umweltschonung
Es reicht nicht aus, wenn beispielsweise die Europäische Union allein ein Programm der Umweltschonung durch eines der beiden Modelle auflegen würde, auch wenn es als Einstieg möglich wäre. Mit der Zeit müssten unbedingt mehr Staaten, besonders die industriell fortgeschrittenen Staaten sich anschließen. Denn das sind ja die Staaten, die am meisten Ressourcen der Erde verbrauchen und die ja auch am meisten Druckmittel haben. Wir brauchen internationale Verträge und Vereinbarungen über Umweltstandards im Sinne der beiden Modelle. Was möglich wäre, dass man peu à peu die Umweltschonung durch weniger Materialverbrauch erreicht. Über die Geschwindigkeit, mit der man vorwärts geht, werden natürlich, genauso wie beim Klimaschutz, harte Kontroversen entbrennen, aber im Augenblick ist das noch nachrangig, erst einmal muss ein solcher Prozess in Gang kommen.
Derzeit, nach der Abwahl des US-amerikanischen Präsidenten Trump, wird viel über die weitere Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA diskutiert. Was mir dabei viel zu kurz kommt, ist die Stärkung des Umweltgedankens. Zusammenarbeit mit den USA, ja, aber nur, wenn sie bereit sind, den Gedanken der Umweltschonung im Sinne eines der beiden vorgestellten Modelle mitzugehen. Dass die USA wieder dem Pariser Klimaschutzabkommen beigetreten sind, ist ja schon ein erster Schritt, wie ein Politiker sagen würde, in die richtige Richtung.
Was in Bezug auf die USA zutrifft, gilt natürlich auch für andere, wichtige Staaten, wie VR China, Japan, Australien, Russland.
Ein starker Stimulus für Recycling und höhere Reparaturquote
Was man nicht verkennen darf, gleichgültig welches Modell (das erste oder zweite) man wählen würde, die Begrenzung bei dem Abbau von Ressourcen (Metallen, Mineralien, Biomasse) wird zu ihrer Preiserhöhung führen. Bisher waren sie ja nur so „billig“, weil die wahren Kosten der Umweltverschmutzung ausgeblendet wurden! Das verhält sich ähnlich mit dem Seefisch. Nachdem die Fangquoten in der EU reguliert werden, ist er teurer geworden. – Er würde aber sowieso teurer werden, viel teurer, nämlich, wenn es kaum noch Fisch gäbe!
Gleichzeitig mit diesem Effekt würde es aber bei einer Begrenzung des Abbaus von Ressourcen einen ungeheuren Stimulus für Recycling und eine höhere Reparaturquote geben. Von einer Kreislaufwirtschaft sind wir nämlich, auch in der EU, noch weit entfernt. (Ein Thema für einen weiteren, späteren Blogbeitrag!)
Zum Schluss noch zur Frage, die manche Leute, besonders aus dem linken Bereich, bejahen:
Kapitalismus abschaffen, ist das die Lösung?
Der Gedanke, wir brauchten nur den Kapitalismus abzuschaffen, um das Umweltproblem in den Griff zu bekommen, greift zu kurz. Man argumentiert dabei so, dass der Kapitalismus auf unendliches Wachstum setzt, aber das würde unsere Umwelt kaputt machen. Nun hat aber die Begrenzung des Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes gezeigt, dass eine solche Begrenzung auch unter kapitalistischen Bedingungen möglich ist. Eigentlich hängt nicht alles am Kapitalismus, sondern wie man sich international einigt (wie schon oben angemerkt). Und im Prinzip brauchen wir das kapitalistische System mit seinen ungeheuren technischen Innovationen. Denn nur im Zusammenspiel zwischen Staat und Wirtschaft, werden wir es schaffen, die notwendigen technischen Innovationen zum Beispiel bei der Energiewende hervorzubringen und umzusetzen. (s. dazu auch meinen letzten Blogbeitrag https://oekonomie-kompakt.de/die-blaue-banane-und-die-schweiz-wie-wird-ein-land-durch-den-kapitalismus-reich-3/)
Dasselbe gilt auch bei einer höheren Recycling- und Reparaturquote bei Industrie-Produkten. Auch da brauchen wir Innovations- und Investitionskraft.