Trump
Nachdem ich einen Abend lang einen längeren Artikel über den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump gelesen hatte und mir der Kopf von all den Informationen brummte, schlief ich über der Zeitung (oder war es mein Laptop?) ein. Ich fing an zu träumen. Ich befand mich in einer Schlucht in einem Gebirge. Mir genügte es aber nicht, dort zu sein, ich wollte höher hinaus. Ich machte mich auf den Weg nach oben. Schließlich merkte ich, dass ich schon so hoch war, dass ich mich über der Wolkendecke befand. Ein wunderschöner und seltener Blick, der Wolkenteppich von oben! Doch ich wollte noch höher hinaus, und tatsächlich, der Weg führte mich weiter nach oben. Doch seltsam, je höher ich kam, desto leichter wurde mein Schritt, und ich kam schneller voran, fast wie auf Flügeln.
Plötzlich musste ich stoppen. Ein riesengroßes, hölzernes Tor versperrte mir den Weg. Auf dem zweiten Blick sah ich, es war nicht allein das Tor, das mich am Weitersteigen hinderte, sondern ein großer Mann mit einer Keule stand vor ihm. „Du!“, sagte er drohend, als wollte er mich warnen, ihn zu übersehen. Nach diesem warnenden Ausruf schaute ich genauer auf ihn: Er war nur mit einer dicken, hellbraunen Lederschürze bekleidet, wie ich sie bei Fleischermeistern gesehen hatte. Vom Äußeren erinnerte er mich an jemanden, den ich öfters im Fernsehen oder auf Fotos sah, Donald Trump? Ich starrte ihn an. Er war es und war es wieder nicht. Seine Nase war größer, sein Mund kleiner, das Haar lichter. Er stützte sich auf eine große, abgewetzte Holzkeule, die nicht mehr so neu aussah, wie seine Schürze, offenbar diente sie dazu, sie jedem über den Schädel zu schwingen, der seine Person missachtete.
Erschreckt hielt ich inne. Es war alles bisher so leicht gewesen, das Höhersteigen und so weiter, jetzt erschien das erste ernst zu nehmende Hindernis. „Was willst Du?“ fragte es jetzt. „Ich?“, fragte ich zurück, als gäbe es außer mir noch hundert andere. „Natürlich Du! wer denn sonst?“ Ich schluckte. Auf einmal hatte ich einen Einfall. – Ich wusste gar nicht, dass man im Traum so gewitzt sein konnte. – „Was ist dahinter?“ fragte ich und deutete auf das hölzerne Tor. „Jöööh“ oder so ähnlich, rief der Mann vor mir aus. Offensichtlich gefiel ihm die Frage gar nicht, weil er sehr wütend wurde. „Dies darf man nicht fragen“, sagte ich kleinlaut, fast devot. Mein Verhalten gefiel dem Mann offenbar schon besser, denn auch er äußerte jetzt besänftigt. „Willst Du das wirklich wissen! … Dann komm’ ein bisschen näher heran, dann sage ich es Dir schon. Nicht jeder in der Umgebung muss es ja hören.“ Ich sah, wie er fast lächelte. Ich verstand, es war eine eigene Art von Humor, die er an den Tag legte. Ich gab mir einen Ruck und näherte mich ihm, aber immer noch in gehöriger Distanz.
„Hinter dem Tor – ein drittklassiger Herrscher!“ Seine Verachtung drückte er schon damit aus, dass er ohne Verb den Satz formulierte. Offensichtlich war bereits ein Verb zu viel Anerkennung. „Ahmmh,“, zunächst konnte ich mit seiner Auskunft nicht viel anfangen, doch angesichts seines vorigen Wutausbruchs und seiner Keule, zog ich es vor, verstehend zu nicken.
„Ja…, nun…, hm…“, ich wusste nicht, was ich tun sollte, war mein Ausflug in die lichte Höhe schon zu Ende ? Sollte ich wieder umkehren? Doch als ob sich mein Gegenüber langweilte und an ein wenig Unterhaltung interessiert sei, winkte er mit einer Handbewegung mich noch näher an sich heran: „Ich hab’ schon versucht, das alles hier ihm abzukaufen…,“, er schwieg, als wirke jetzt noch die Enttäuschung nach, „aber er hat abgelehnt… Wer weiß, wann er noch einmal solch ein gutes Angebot bekommt.“
„Aha“, ich nickte wieder verstehend, obwohl ich gar nichts begriff, außer dass der Mann mit der Lederschürze darauf aus war, Eindruck zu machen.
„Solch ein großartiger Geschäftsmann wie ich, muss mir das bieten lassen!“ fuhr er fort, als wäre er noch in Gedanken und käme über die abschlägige Antwort nicht hinweg.
Ich schaute ihn an. Mein Blick wanderte dann weiter über das hölzerne Tor. Ich entdeckte ein Stück schwarzen Schiefers, das von einem groben Holzrahmen eingefasst war. Ich ging zu dieser Art Tafel und sah, dass mit Kreide darauf stand: 12 – 18. „Und was ist das?“ fragte ich. Der Leder-Schürzen-Mann riss sich von seinen Gedanken los. „Ach, das soll der Dienstplan sein. Der da drinnen schreibt das auf, weil er meint, wir brauchten eine Gedankenstütze. Aber bei mir ist das ganz unnötig, weil ich selbst weiß, wie lang mein Dienst geht. – Ich mache das sowieso ganz freiwillig und brauche keinen Vorschriften, noch von ihm“, fügte er ganz schnell hinzu.
Ich musterte kurz nochmals das Tor, doch ich entdeckte keinen Riegel oder Ähnliches von außen. Ganz klar, das Tor konnte nur von innen geöffnet werden. Ich dachte, von wegen ‘freiwillig’, hier machte sich einer etwa vor. Ich enthielt mich aber einer Äußerung, denn ich hatte eine Eingebung. Ich drehte die grob gearbeitete Tafel um, sie hing ja an einer Schnur, die wie ein umgedrehtes V, an der rechten und linken oberen Ecke des Schiefers befestigt war, so dass sie kaum schief hängen konnte.
Da stand tatsächlich etwas auf der Rückseite. „Das Wetter wird morgen wieder schön. Ich habe keine Lust, Donner zu machen, und auch die Gießkanne werde ich nicht bedienen.“ Unterschrift: „Ich, der Größte aller Zeiten“
Ich war baff! Sollte das ein Witz sein, oder war das ernst gemeint? Wenn man hier das Wetter machen konnte, dann musste ich wirklich ganz weit oben angelangt sein. “Habt Ihr das geschrieben?”, fragte ich. “Ja, das sind meine Kurznachrichten an alle die hier vorbeikommen, aber nicht durch das Tor dürfen. – Er da drinnen sieht das nicht gern, weil es ja heißen soll, er macht das Wetter, aber ich schreibe das trotzdem.” – “Ihr macht das Wetter?”, sagte ich nun mit allergrößtem Respekt. “Naja, ich nicht ganz allein”, sagte der Lederbekleidete, “ein paar Kumpels machen schon mit. – Aber Donnermachen ist allein mein Werk, ich mache es mit der Keule und Wellblech. Die Gießkanne überlass’ ich den anderen.” – „Und was ist mit dem Blitz?“ fragte ich. „Die Blitze will er allein machen und uns nicht überlassen, aber ich bin drauf und dran, mit ihm einen Deal zu machen. Er wird das Blitzen mir schon noch überlassen, dann bin ich tatsächlich der Größte. Ich bin also schon auf dem Weg dahin.“
„Und wenn Du keine Lust hast, ist schönes Wetter?“ fragte ich, auf den Tafeltext deutend. Der Mann feixte: „Ich heize denen da unten ganz schön ein, nicht wahr! Und die glauben immer noch, dass die Hitze von ihnen selbst kommt…“
Ich erinnerte mich, dass Donald Trump nicht anerkennen wollte, dass der Klimawandel von Menschen gemacht war. So unrecht hatte er dann gar nicht. Er war also gar nicht so verrückt, wie ich bisher immer geglaubt hatte.
“Hm”, sagte ich etwas ratlos, sollte ich dem da vor mir, meine Anerkennung spenden, oder sollte ich ihm beteuern, dass ich meine Meinung über einen gewissen US-amerikanischen Präsidenten geändert hatte? Würde ihn das überhaupt beeindrucken? Wer war das eigentlich vor mir?
Wieder nahm das Gespräch eine überraschende Wendung, weil ich erneut einen Einfall hatte. Ich fragte: „Wieviel seid Ihr denn? Du sprachst von mehreren Kollegen.“ – „Natürlich sind wir mehrere“, antwortete der Gefragte, „aber ich in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit habe sie alle unter Kontrolle, mit diesem Werkzeug hier“, er wies auf seine hölzerne Keule.
Ich erinnerte mich plötzlich, wie ich im Fernsehen einmal eine Kabinettssitzung mit Donald Trump gesehen hatte. Um den Kabinettstisch herum saßen die Minister und Untergebenen, und alle bemühten sich, sobald Trump etwas sagte, ihm sofort beizupflichten. Jetzt bekam dieser Ausspruch von Trump ‘in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit’ eine völlig neue, ja tiefere Bedeutung, die ich vorher nicht mal geahnt hatte. – Kein Zweifel, ich stand nun selbst vor dem großartigen und unvergleichlichen Donald Trump.