Zu großartigen Ankündigungen neigen ja viele Politiker, doch zur Spitzengruppe gehört zweifellos der US-amerikanische Präsident Donald Trump. Nach knapp hundert Tagen seiner Amtszeit kündigte er im April 2017 „das größte Steuersenkungsprogramm der US-Geschichte“ an. Der dadurch angeschobene wirtschaftliche Aufschwung sollte so kräftig sein, dass man die Mindereinnahmen bei den Steuern wieder ausgleichen könne. Mal abgesehen, dass das meist nicht – um nicht zu sagen, noch nie – geklappt hat, können wir jetzt, gewissermaßen in der Zukunft, einen Blick in die Vergangenheit werfen und überprüfen, ob es wirklich solch einen beispiellosen Wirtschafts-Aufschwung in den USA durch die Trumpsche Steuerreform gegeben hat. Siehe Grafik:
Der Bruttoinlandsprodukt-Wert (BIP-Wert) für 2020 wurde bewusst ausgeklammert, weil er durch die Corona-Pandemie verzerrt wurde.
Was man in der Grafik sieht, dass es auch in der Obama-Periode einen langanhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung in den USA gab, der sich von den Werten der Trump-Periode nicht wesentlich unterschied (die blau gepunktete Trendlinie steigt durchgehend leicht an). Trump wollte mit seiner Steuerreform ein jährliches BIP-Wachstum von über 3% erreichen. Und tatsächlich im Jahr 2018 gelang das (fast). – Anmerkung: Trumps Steuerreform wurde im Dezember 2017 unterzeichnet und trat damit in Kraft. – Aber 2019 knickte der BIP-Anstieg schon wieder ein, wie man in der Grafik sieht. Also, außer höheren Staatsschulden nichts gewesen?
Nicht ganz so! Schauen wir uns die nächste Grafik zur Arbeitslosenquote in den USA an. Die Arbeitslosenquote wird zwar in den USA ganz anders ermittelt als in Deutschland, nämlich durch Befragungen, deshalb lassen sie sich nicht einfach miteinander vergleichen, aber es geht hier um den Trend.
Seit 2010 haben wir eine sinkende statistische (und hoffentlich auch reale) Arbeitslosenquote in den USA, die bis 2019 reicht, und dann 2020 hochschnellt. Bis 2019 gründete sich darauf die Hoffnung der Menschen in den USA, dass es wirtschaftlich bergauf geht und sich damit ihre Lage verbessert. Natürlich schrieb sich diese verbesserte wirtschaftliche Lage mit sinkender Arbeitslosigkeit Trump zugute und heimste bei seinem Wahlvolk hohe Zustimmungswerte ein. Aber dann, 2020, schnellte die Arbeitslosigkeit aufgrund der Coronakrise hoch. Und jetzt bewahrheitete sich, worauf eine ganze Reihe von Ökonomen bei der Trumpschen Steuerreform hingewiesen hatten: Eine Steuersenkung in einer Periode wirtschaftlichen Aufschwungs zu initiieren ist rausgeschmissenes Geld (und kann sogar gefährlich werden, wenn es zur Überhitzung der Wirtschaft führt), notwendig ist so etwas in einer Phase der Rezession. Jetzt brauchen die Leute und die Unternehmen Unterstützung. Das als erstes zum Thema: Trump war nicht nur dumm, aber größtenteils.
Zweites Beispiel: Vorgehen gegen China und chinesische High-tech-Firmen
Ein Kommentator der „New York Times“ Thomas L. Friedman schrieb im August 2019 in einem meiner Meinung nach guten Kommentar in seiner Zeitung: [auf deutsch: https://www.ipg-journal.de/schwerpunkt-des-monats/chinas-neue-macht/]
»Den amerikanisch-chinesischen Handel der ersten drei Jahrzehnte könnte man kurzgefasst folgendermaßen beschreiben: Die USA kauften T-Shirts, Tennisschuhe und Spielsachen aus China, und China kaufte Sojabohnen und Düsenflugzeuge von Boeing aus den USA. Und solange es so lief, war uns egal, ob die chinesische Regierung kommunistisch oder kapitalistisch war, autoritär, libertär oder vegetarisch.
Doch in den letzten zehn Jahren stieg das Einkommen in China, und das Land entwickelte sich zu einem Zentrum für Technologie. Außerdem verkündete Xi seinen Plan „Made in China 2025“. Dieser Plan sah vor, den Verkauf von T-Shirts, Tennisschuhen und Spielsachen einzustellen und stattdessen dieselben hochmodernen Technologien wie Amerika und Europa herzustellen und dem Rest der Welt zu verkaufen: Smartphones, Künstliche Intelligenz, 5G-Infrastruktur, Elektroautos und Roboter.«
Also, die VR China will bei High-tech-Produkten zu einem Wettbewerber der USA auf dem Weltmarkt werden. Die Sowjetunion war das übrigens nie. Darin unterscheiden sich die beiden Länder. Chinas schnelle technologische Entwicklung war begleitet von Technologietransfer aus dem Ausland, „Technikklau“ und dass die chinesische Regierung ausländischen Unternehmen, die sich bei ihnen niederlassen wollten, zwang, nach anderen Regeln zu spielen als chinesische Unternehmen in den USA. (Darüber sollte man sich nicht zu sehr aufregen, Japan machte es in seiner technologischen Aufholjagd ähnlich.) Doch nun war der Zeitpunkt gekommen, das zu ändern. Wieder der New York Times-Autor:
»Jemand musste diesem Spiel ein Ende setzen. Genau das tat Trump, und durchaus zu Recht. Doch wie er das bewerkstelligte, zeugt von unglaublicher Dummheit! [Hervorhebung Seb. Solt.] Wie ich in dieser Kolumne bereits dargestellt habe, hätte Trump das Freihandelsabkommen Transpazifische Partnerschaft unterzeichnen sollen, das alle größeren pazifischen Volkswirtschaften – außer China – hinter den Werten, Normen, Interessen und Standards der USA vereint und Tausende von Zöllen auf US-Produkte gesenkt hätte. Stattdessen zerschlug Trump TPP.
Trump hätte sodann sämtliche Länder der Europäischen Union, die im China-Handel mit denselben Problemen kämpfen wie wir, hinter sich versammeln müssen. Stattdessen erlegte er ihnen, genau wie den Chinesen, Zölle auf Stahl und andere Waren auf.
Dann hätte Trump Xi gemeinsame Verhandlungen mit unseren pazifischen und europäischen Partnern über ein neues Handelssystem vorschlagen müssen, „im Geheimen“, damit niemand das Gesicht verliert. In diesen Geheimverhandlungen hätte es allerdings geheißen, „die Handelsstandards und Werte der Welt gegen Chinas“.
Stattdessen entschied sich Trump für einen Alleingang, „Amerika gegen China“. Wenn die Devise „America first“ lautet, warum sollte uns auch jemand helfen?«
Muss man zum Thema „Trump war nicht nur dumm, aber größtenteils“ noch etwas hinzufügen? Der zitierte Kommentator der New York Times fügt noch etwas hinzu:
»Doch auch Xi trifft eine Mitschuld. [Hervorhebung Seb. Solt.] Er verschreckt seine Nachbarn, wenn er im Südchinesischen Meer gegen internationales Recht Inseln besetzt. Den Westen verschreckt er, wenn er ankündigt, bis 2025 sämtliche neue Technologien beherrschen und gleichzeitig die Handelsbeschränkungen der letzten 30 Jahre beibehalten zu wollen, aus der Zeit also, in der China noch T-Shirts, Spielsachen und Tennisschuhe verkaufte. Seine Unterhändler gaben anfangs deutliche Signale für die Bereitschaft Chinas, einige der unfairen Handelspraktiken aufzugeben, doch im Mai machten sie plötzlich einen Rückzieher.«
Drittes Beispiel: Wie Trump Arbeitsplätze in den USA schaffen wollte
Nun kann man gegen das letzte Beispiel der außenpolitischen Dummheit Trumps einwenden: Wahlen werden in den USA in der Regel nicht durch Außenpolitik, sondern durch Wirtschaftspolitik im Inland gewonnen. Und dafür hatte Trump durchaus ein feines Gespür. Ohne wahrscheinlich große soziologische Studien gelesen zu haben, ahnte er im Wahlkampf 2016, wo er Wähler für sich mobilisieren konnte. In seinen Wahlkampf-Reden zur damaligen Zeit sprach er oft von den „forgotten men and women“. Er konnte mit diesem Ausdruck fast die Hälfte des US-amerikanischen Volkes ansprechen, denn seit den 1980er Jahren hatte es bei dieser Hälfte keine Verbesserung in den Lebensumständen gegeben. Das ist bei einer Nation, die wirtschaftlich zu der wettbewerbsstärksten der Welt gehört (2018 führte sie laut „The Global Competitivness Report 2018 die Weltspitze an [http://www3.weforum.org/docs/GCR2018/05FullReport/TheGlobalCompetitivenessReport2018.pdf]) eigentlich ganz erstaunlich.
Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist zwar seit den 1980er Jahren in den USA kräftig gestiegen, aber der „Anteil der unteren Hälfte der Einkommensbezieher am Gesamteinkommen (Markteinkommen) ist in den USA von 20 % (1981) auf nur noch 13 % (2015) zurückgegangen, viel stärker als etwa in Westeuropa“. [https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2020/heft/11/beitrag/trumps-wirtschaftspolitik-und-der-corona-schock-perspektiven-fuer-die-usa.html]
Natürlich haben die unteren Einkomensbezieher bemerkt, dass sie abgehängt werden, aber
„zugleich zeigen Umfragedaten von [Nennung zweier Wissenschaftler], dass die Mehrheit der befragten US-Bürger eine zunehmende Einkommensungleichheit beklagt, dabei jedoch eine relative Mehrheit nicht etwa die US-Politik als verantwortlich für die Umverteilung bzw. Sozialpolitik ansieht, sondern der Meinung ist, dass die großen US-Unternehmen die gewachsene Einkommensungleichheit korrigieren sollten. Diese Vorstellung ist jedoch ziemlich abwegig und unrealistisch, da in einer Shareholder Economy nicht zu erwarten ist, dass die Eigentümer Vorstands- bzw. Managergehälter quasi aus Gerechtigkeitserwägungen kürzen werden und die unteren Löhne der Ungelernten deutlich anheben werden.“ [Quelle: s. letzter Link]
Die Lösung, die Trump für dieses Problem vorsah: Nationalismus. Das zeigen auch seinen Losungen, mit denen er in den Wahlkampf zog: „Great America again“ und „America first“. Das Problem durch sozialen Ausgleich anzugehen oder abzumildern, das hatte Trump niemals vor [s. meinen Blogbeitrag zu seiner große Steuerreform 2017 https://oekonomie-kompakt.de/die-magischen-kraefte-des-donald-trump-und-wo-sie-versagen/]
Für Nationalisten sind natürlich Sündenböcke erforderlich, die die Schuld an der ganzen Misere tragen, und dafür hatte sich Trump außerhalb der USA die VR China und Europa ausgeguckt, im Inland war es die demokratische Partei. Wie kein anderer verstand er, auf der nationalen Klaviatur zu spielen und die Stimmung im Land anzuheizen.
Wirtschaftlich fiel ihm allerdings nichts anderes ein, als zu versprechen, verlorene Arbeitsplätze in der Kohle-, in der Stahl-, in der Aluminium- und in der Autoindustrie „zurückzuholen“. Aber, wie in einer Studie des Institutes für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel im Okt. 2020 bemerkt wird: „In keiner der Branchen lässt sich für die Trump-Jahre ein bemerkenswerter Produktionsanstieg feststellen“,[https://www.handelsblatt.com/politik/international/usa-studie-trump-hat-us-industrie-keine-fluegel-verliehen/26312250.html]
Ob Trump die Aussage des IfW überhaupt begreifen kann? Denn er hatte, wie sich bei der Präsidentschaftswahl 2020 herausstellte, Probleme mit den einfachen mathematischen Größen „mehr“ und „weniger“. Er unterstrich, dass er in der Präsidentschaftswahl 2020 mehr Stimmen als 2016 gewonnen hatte. Er verstand nicht (oder konnte nicht verstehen), dass sein Herausforderer 2020 noch mehr Stimmen als er hatte…