Bevor weiter über das Pareto-Prinzip und seine Auswirkungen auf die Vermögens- und Einkommensverteilung diskutiert wird, soll ein anderes Thema, ein ökologisches, im Mittelpunkt stehen. Gewissermaßen wird damit ein Blick in die ökologische Zukunft der Menschheit geworfen.
Vor ca. 150 Jahren standen schon einmal die Elefanten in freier Wildbahn vor ihrer totalen Ausrottung. Die Gier nach Elfenbein, aus dem u.a. Golfbälle und Klaviertasten hergestellt wurden, war so groß, dass die langzähnigen Vierbeiner bedingungslos gejagt wurden. Zum Glück für die Elefanten wurde damals das Zelluloid erfunden – 1870 begann die Produktion.
Mit der Erfindung der Polymeren konnte das Zeitalter des Massenkonsums eröffnet werden, denn jetzt konnten eigentlich teure und seltene Materialien wie Perlmutt oder Elfenbein auf einfache, billige Weise „nachgeäfft“ werden. Eine Massenproduktion war geboren, die durch neue Erfindungen bei den Polymeren, Bakelit, Plexiglas, Nylon und Neopren, noch angeheizt wurde.
Die Schattenseiten des neuen Materials zeigte sich schon mit seinem ersten Auftauchen. Da Zelluloid auch für die Kinoproduktion eingesetzt wurde, fackelten durch den leicht entflammbaren Polymer Fabriken und Kinos ab. Heute zeigt sich die Schattenseite des wunderbar wandelnden, leicht formbaren Plastiks erst recht: Wir drohen im Plastikmüll zu ersticken. Von 300 Mio Tonnen produziertem Plastik pro Jahr landen 13 Mio Tonnen im Meer. Wenn diese Müllrate anhält, haben wir 2050 mehr Plastik im Meer als Fische. – Und, was ist schon dabei, könnte man fragen. Dann schwimmen eben die Fische um den Plastikmüll herum. Leider zerkrümmelt und zersetzt sich Plaste. Und die Meerestiere nehmen die Plastikkrümmel auf, weil sie sie für Nahrung halten. Fische nehmen sogar größere unverdaubare Plastikteile auf, die man in ihrem Mägen gefunden hat, woran teilweise die Tiere verendeten. Das Eindringen kleinster Plastpartikel in die Nahrungskette des Menschen ist also vorgezeichnet und findet schon statt. Allerdings ist noch nicht vollständig geklärt, inwieweit das schädlich ist, bzw. bis zu welchem Grenzwert das schädlich ist.
Es soll hier aber nicht allein um Plastik gehen, sondern um Umweltschutz allgemein, denn die Menschheit hat bewiesen, dass sie neue Stoffe, neue Technologien und neue Energieformen entwickeln kann. Kann sie aber auch mit den „Nebenwirkungen“ ihrer Tuns fertig werden? Das muss sie erst noch beweisen. Wie sich absehen lässt, wird die Menschheit in diesem Jahrhundert in eine schwere Existenzkrise steuern, vor allem verursacht durch Umweltverschmutzung und durch das Überstrapazieren der natürlichen vorhandenen Ressourcen. Diese Voraussage soll weniger apokalyptisch sein, wie viele der augenblicklichen apokalyptische Voraussagen, sondern ergibt sich aus menschlichem Verhalten (s.a. Aussagen im vorletzten Abschnitt dieses Artikels). Die Mehrheit der Menschen wird sich in ihren Gewohnheiten, in ihren Ansichten total umstellen müssen. Aber wie kann man die Krise, die auf uns zukommt, bewältigen? Welche heiklen Probleme gibt es dabei? Das soll im Folgenden erörtert werden.
Löst Ökoterrorismus die Krise?
Stelle man sich eine Gruppe von Aktivisten vor, die Sabotageaktionen gegen einzelne Industriebauten, Atomkraftwerken, Atommüll-Endlagerstätten oder gegen Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen begehen. Stelle man sich weiter vor, diese kleine Gruppe von Aktivisten gelange an die höchsten Stellen des Staates und setzte mit Gewalt die Einhaltung von Umweltnormen in einer Gesellschaft durch. Diese Gruppe ist von ihrem Glauben an den Erhalt der Umwelt und der Richtigkeit ihrer Öko-Auffassungen so besessen, dass sie meint, die Gesellschaft zu ihrem Glück zwingen zu müssen und sie nicht in den Abgrund laufen zu lassen, ähnlich der Staats-Partei in den früheren sozialistischen Ländern. – Also, eigentlich hat die Gruppe edle Motive.
Aber gerade die sozialistischen Länder haben gezeigt, dass Terror, selbst wenn er vorgibt, edle Ziele zu verwirklichen, nur eine Zeitlang aufrecht erhalten werden kann. Diese „Lösung“ scheidet folglich schnell aus, denn sie ist keine, zumindest keine dauerhafte. An Aufklärung und dem Aushandeln von Regeln und an Regulierung führt beim Umweltschutz kein Weg vorbei.
Das Dilemma jeder Ökobewegung
Aber genau an diesem Punkt fängt ein Grundproblem einer Ökobewegung an. Revolutionen und gesellschaftliche Bewegungen konnten sich in der bisherigen menschlichen Geschichte häufig schnell etablieren, wenn sich Menschen eine Verbesserung ihrer materiellen Lage erhofften. Aber auf diesen antreibenden Mechanismus muss eine Ökobewegung verzichten. Häufig belasten die Aufwendungen für den Umweltschutz eher eine Gesellschaft, als dass ein unmittelbarer, sofortiger Nutzen daraus entstünde. Wenn der gefahrene Autokilometer statt 40 Cent 2 Euro, kostet, werden nur die allerwenigsten Menschen begeistert sein. Zumal dann auch überhaupt höhere Transportkosten entstehen. Das Problem ist demnach, dass man die Menschen intellektuell und emotional ansprechen und gewinnen muss und nicht mit materiellen Versprechungen. Es geht um Kopf und Herz. Natürlich, mit Umweltschutz macht sich eine Gesellschaft zukunftsfähig! Aber das ist freilich ein ziemlich schwammiger Begriff, und jeder Mensch versteht etwas anderes unter „zukunftsfähig“. Das wird schon daran deutlich, dass nicht jedem Menschen eine Umweltmaßnahme gleichermaßen einleuchten wird.
Was uns Hoffnung geben kann, dass trotz dieses Dilemmas die grüne oder Öko-Bewegung in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden ist und dass sie trotz aller Rückschläge wächst und gedeiht.
Ein seltsamer Wettlauf oder ein Widerspruch
Richtig arme Menschen interessieren sich in der Regel nicht für Umweltfragen, sie sind voll damit beschäftigt, um ihr Überleben zu kämpfen. Sie sehen für sich kaum eine Zukunft, wie sollen sie sich dann um die Zukunft der Welt Sorgen machen? Um diese Menschen für Ökofragen aufzuschließen, müsste man erst einmal ihre materielle Lage verbessern. Aber wenn man ihre materielle Lage verbessert, dann verbrauchen diese Menschen auch mehr Ressourcen.
Ganz augenfällig wird das am Beispiel Chinas. Dieses Land hat sich in den letzten vierzig Jahren insgesamt stark entwickelt. Es gibt längst nicht mehr so viel Armut wie früher. Aber gleichzeitig hat sich der Ressourcenverbrauch beträchtlich erhöht. Nun verbraucht China nicht alle Ressourcen für sich, sondern auch für den Export. Aber das Land investiert auch selber in Verkehrsstruktur, Wohnungsbau und Fabriken, die Erzeugnisse für den Eigenbedarf herstellen. Ganz abgesehen davon, dass es für den Eigenbedarf ebenfalls eine größere Menge von Gütern importiert.
Dieses Paradoxon oder Widerspruch ist nicht zu unterschätzen. Aber es gibt noch mehr solcher grundsätzlichen Widersprüche in Ökofragen. Auf einen macht die Autorin Ulrike Herrmann aufmerksam.
Das Ende des Wachstums?
Eigentlich müsste jede kräftige Wirtschaftskrise für die Umwelt ein Segen sein, denn es wird weniger produziert und weniger verbraucht. Aber die Menschen, die von einer Wirtschaftskrise betroffen sind, fangen an, „unruhig“ zu werden, sie sehen ihre augenblickliche Existenz gefährdet und sehen auch für die Zukunft schwarz. Ulrike Herrmann: „Selbst die Umwelt profitiert nicht automatisch, wenn die Wirtschaft schrumpft. Weil viele Griechen sich kein Heizöl leisten können, fällen sie die letzten Bäume. In einer Wirtschaftskrise [Seb. Solter: Gemeint ist hier die Wirtschaftskrise in Griechenland ab 2009] ist die Natur das erste Opfer.“ (Der Sieg des Kapitals, S. 242, Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2013, 3. Auflage)
Es gibt in einer schweren Wirtschaftskrise denselben Effekt wie schon oben bei den Armen beschrieben: Die Vielzahl der Menschen kümmern sich dann um ihr eigenes Überleben und haben keine Verve für die Umwelt. Demnach ist eine Wirtschaftskrise nicht die Lösung für unser Umweltproblem.
Vielleicht müssen wir dann aber auf Wirtschaftswachstum verzichten und sehr bescheiden leben? Wenn man mit jungen Leuten spricht, die dazu noch vom Umweltschutz begeistert sind, sehen sie das am ehesten als Lösung an. Sie selbst haben ja in ihrem Alter meist keine großen Ansprüche. Allerdings ist dieser Weg kein allgemein gültiger, wie schon die Vergangenheit gezeigt hat. Es ist ein Wunschdenken, dass die Mehrheit der Leute „eben mal so“ auf Konsum verzichtet. Wenn ich schon verzichten soll, sagt sich der Einzelne, dann müssen alle verzichten. Und darin hat er auch Recht. Bei aller Einschränkung und allen „Grenzen des Wachstums“ braucht der Mensch, gleichfalls in den Industrieländern eine Perspektive, und die bietet Wirtschaftswachstum. Dieses kann freilich nicht ungehemmt sein, braucht Regeln und Regulierung. Zukünftiges Wirtschaftswachstum wird sich vom bisherigen, weitgehend „ungehemmten“ Wachstum unterscheiden.
Ökologie und Ökonomie – unvereinbar?
Eigentlich ist die Lösung unserer ökologischen Krise ganz einfach: Die Preise für den Ressourcenverbrauch müssen so erhöht werden, dass sie die Aufwendungen zum Beseitigen der Umweltschäden decken, bzw. muss die Nachfrage nach bestimmten Ressourcen (wie saubere Luft) so gedrosselt werden, dass es erst gar nicht zu schweren Umweltschäden kommt. Doch dabei stößt man auf ein ganz schwieriges Problem. Es gibt Vorgänge, die können lokal geregelt werden (z.B. die Vorsorge, dass nicht weiterer Boden versiegelt wird, oder, dass zusammenhängende Naturschutzgebiete erhalten bleiben) und es gibt Vorgänge, die verlangen globale Übereinkünfte (z.B. der Ausstoß von Kohlendioxid). Der Spruch der Grünen zu Beginn ihrer Bewegung in Deutschland: global denken, lokal handeln, hat also durchaus seine Berechtigung, auch wenn heute ebenfalls global gehandelt werden muss. Es ist aber schwierig, globale Übereinkünfte zu erzielen, schon die Verhandlungen sind langwierig. Dabei oder auch danach wird immer wieder das eine oder andere Land versuchen, aus der Reihe zu tanzen oder auszuscheren und Verträge zu seinem eigenen Nutzen zu torpedieren, wie der Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen 2017 zeigt. Solches egoistisches Verhalten unterstützt nicht gerade globale Vereinbarungen. Wie soll man auch einsehen, dass sich Europäer oder Asiaten im Kohlendioxidausstoß einschränken sollen, während die US-Amerikaner umso mehr umher jetten dürfen.
Weil globale Vereinbarungen so schwierig sind, noch dazu, wenn sie verpflichtend werden, ist vorauszusehen, dass Umweltprobleme erst eskalieren müssen, bevor die Menschheit oder die Politiker sich bequemen, sich ihrer Lösung anzunehmen. So wird die ökologische Existenzkrise der Menschheit eine permanente sein. Und es wird die ökologische Gesellschaft, bei der alle Produktion in Harmonie mit der Natur erfolgt, nicht geben. Dazu kommt noch, dass immer wieder neue Herausforderungen des Umweltschutzes durch Technikentwicklungen eintreten, auf die global oder auch lokal reagiert werden muss. Nehmen wir einmal die Digitalisierung, von der alle Welt redet. Über die Umweltproblematik der hergestellten Server, Router, Computer, Festplatten usw. macht sich heute kaum jemand Gedanken. Das ist wie bei der eingangs erwähnten Plastikherstellung: Erst als sie wahrhaft massenhaft auftrat, wurden die Umweltrisiken deutlich.
Flankierende soziale Maßnahmen
Dazu muss man nicht viele Worte verlieren. Bereits heute zeichnet sich ab, dass Umweltmaßnahmen mit flankierenden sozialen Maßnahmen einher gehen müssen, um von der Bevölkerung akzeptiert zu werden. Zum Beispiel, wenn sich die Transportkosten wesentlich erhöhen und individueller Verkehr wesentlich teurer wird, dann muss man natürlich den öffentlichen Nahverkehr ausbauen. Die soziale Balance in der Gesellschaft hilft bei der Bewältigung der ökologischen Herausforderungen.
Und dennoch wird gelten, abgewandelt nach einem geflügelten Spruch: Und der Umweltgeist sprach: „Bleib ruhig, es kann alles noch viel schlimmer kommen. Und ich war ruhig, und es kam schlimmer.“