Eine DPA-Nachricht vom 8. Mai 2023 ließ Interessierte der Autowelt aufhorchen. Der Volkswagen-Konzern tauschte in seiner Auto-Software-Sparte Cariad das Führungspersonal samt Chef aus. Das muss als Eingeständnis gewertet werden, dass es in dieser Sparte nicht so läuft, wie sich das die Führungsmanager des Autokonzerns vorgestellt hatten. Zu viele Startschwierigkeiten und Verzögerungen gab es bisher.
Eigentlich stehen die Wolfsburger wie auch andere deutsche Autohersteller vor einem Dilemma: Geld verdienen sie immer noch und vor allem mit Benzinern und Dieselfahrzeugen, aber die PKW-Elektrofahrzeuge sind sehr stark im Kommen, das sieht man an den Neuzulassungen (siehe dazu nächste Grafik).
Nun sind die Plug-in-Hybride (sind Fahrzeuge, die ihren kleinen Akku über Steckdose aufladen können) nicht das Thema für den versierten Volkswagenkonzern. Man nimmt einen Verbrenner und stattet ihn zusätzlich mit einem Akku und einem E-Motor aus. Das Problem stellen die vollelektrischen Fahrzeuge dar. Die müssen nämlich völlig anders gedacht und konzipiert werden, nämlich über die Software. Und da hapert es bei den diesel- und benzinerfahrenen deutschen Autokonzernen. (Wie auch die eingangs erwähnte Veränderung in der Volkswagen-Software-Sparte zeigt). Andere Konzerne, die sich auf rein elektrische Fahrzeuge spezialisiert haben, sind da weiter (wie Tesla). Jetzt rächt sich, dass die großen deutschen Automobilfirmen zu lange mit der geballten Entwicklung rein elektrischer PKW gezögert haben und viel zu spät in die E-Spur gegangen sind. Nämlich man kann beides tun, wie südkoreanische Autobauer (Hyundai, Kia) zeigen, mit Verbrennern noch Geld verdienen, und zugleich ausgereifte vollelektrische PKW herstellen. – Wobei natürlich am Anfang, auch nicht jeder südkoreanische E-Auto-Typ ausgereift war.
In ihrer Verzweiflung greifen hochrangige deutsche Automobilmanager nach jedem Strohhalm, z.B. E-Fuels. Das sind synthetisch produzierte, unter bestimmten Umständen klimafreundliche Kraftstoffe, die mittels elektrischer Energie aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt werden. Da bei ihrer Herstellung mehrere verlustintensive Umwandlungsstufen durchlaufen werden müssen, ist ihre Energiebilanz schlechter als bei der Elektromobilität. Damit E-Fuels umweltfreundlich sind, muss außerdem die dafür notwendige E-Energie völlig aus erneuerbaren Energiequellen stammen und das CO2 aus der Atmosphäre oder aus nachhaltig gewonnener Biomasse herrühren. Die E-Fuels bleiben teuer und sind im Augenblick nicht die Alternative für elektrisch betriebene Fahrzeuge. – Selbstverständlich sind auch die E-Autos umweltmäßig nicht problemfrei, denken wir nur an das Recyceln der großen Lithiumbatterien.
Auch FDP-Politiker kennen sehr gut die Probleme mit den E-Fuels, ebenso genannt synthetische Kraftstoffe. Dennoch hat FDP-Verkehrsminister Volker Wissing bei der EU durchgedrückt, dass Verbrenner mit ihnen noch nach 2035 betrieben werden können. Das Ganze firmierte unter dem Schlagwort: technologieneutrale Lösung oder „Technologieoffenheit“. Hinter diesen schönen Worte könnte sich aber genauso das Offenhalten einer Hintertür für die deutschen Automobilfirmen verstecken, wenn es nicht gar nach Lobbyismus riecht. Konsequentes Eintreten für das E-Auto hätte in diesem Fall dem Umweltschutz mehr genutzt, denn Planungssicherheit ist eigentlich für Unternehmen existenziell. Überhaupt ist Konsequenz in dieser Frage nicht gerade eine Stärke deutscher Politiker. Der letzte CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatte jahrelang auf den Aufbau deutscher Batteriezellenfertigung für E-Autos gedrungen, ohne sich gegen die abblockenden Autogroßunternehmen durchzusetzen. Manns genug, die Sache selbst in die Hand zu nehmen bzw. sie gegen den Widerstand der Firmen anzustoßen war er nicht. Die Geschichte z.B. in den USA in den 1960er bis 1980er Jahren hat aber gezeigt, dass das manchmal notwendig ist. [s. Mariana Mazzucato: Das Kapital des Staates. Eine andere Geschichte von Innovation und Wachstum. Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2014, z.B. S. 109]
Bis 2026 wollen die deutschen Automobilfirmen und -zulieferer gigantische Geld-Mengen in die Elektromobilität investieren (220 Mrd. Euro). Entsprechend fallen die Bekundungen zur E-mobilität aus. Doch ganz tief im Herzen haben sich etliche Spitzenmanager der Autoindustrie immer noch nicht vom Verbrenner gelöst. Das zeigen ihre Sympathiebekundungen für E-Fuels oder auch die Anordnung von Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen-AG, dass bei Porsche, die Marke, die er in Personalunion mitführt, in jedem Segment neben einem E-Auto auch ein Benziner angeboten werden soll. Wenn man bedenkt, dass reine E-Autos ganz anders als Verbrenner konzipiert werden müssen, so trägt diese Festlegung nicht gerade zur Effizienz bei.
Klar ist, dass die Hinwendung zum E-Auto mit Problemen verbunden ist (der hohe Anschaffungs-Preis, die geringere Reichweite als beim Verbrenner, steigende Stromkosten), abgesehen von der angesprochenen Umweltproblematik, und doch gehört im Augenblick (!) dem E-Auto die Zukunft. Südkoreanische und chinesische Hersteller haben das klar erkannt. Jahrelang hatte Volkswagen in China den größten Marktanteil, in diesem Jahr überholt der chinesische Hersteller BYD die Wolfsburger.
Der Versicherungskonzern Allianz schreibt in einem Research über den europäischen Automobilsektor:
„Doch das größte Risiko ist China. China hat bereits vor 15 Jahren das Potenzial von Elektrofahrzeugen erkannt und seitdem enorme Ressourcen in den Aufbau eines wettbewerbsfähigen Ökosystems für Elektrofahrzeuge investiert. Infolgedessen ist das Land heute führend in der globalen Elektrofahrzeuglandschaft und wird bis 2022 mehr als doppelt so viele BEVs [BEV = Battery Electric Vehicle, Fahrzeuge mit ausschließlich elektrischer Energiequelle] verkaufen wie Europa und die USA zusammen, während es gleichzeitig in fast allen Aspekten der BEV-Wertschöpfungskette einen Wettbewerbsvorteil hat. Da sie mehr als 80 % der BEV-Verkäufe in ihrem Land ausmachen, sind die Marktanteile chinesischer Marken von weniger als 40 % im Jahr 2020 auf fast 50 % im Jahr 2022 gestiegen, während sich die Automobilhandelsbilanz [vermutlich die Außenhandelsbilanz gemeint, Seb. Solt.] des Landes im gleichen Zeitraum von einem Defizit von -31 Mrd. USD [US-Dollar] in einen Überschuss von +7 Mrd. USD verwandelt hat. Gleichzeitig waren bereits 2022 drei der meistverkauften BEVs in Europa chinesische Importe. Wenn BEVs schließlich alle Neuwagenverkäufe in Europa ausmachen, werden in Europa hergestellte Autos wahrscheinlich durch in China hergestellte Autos ersetzt – unabhängig davon, ob sie von einem chinesischen, amerikanischen oder europäischen Unternehmen hergestellt werden.” [zitiert nach <https://stock3.com/news/volkswagen-vz-was-ist-da-denn-los-12398830>]
Die größten deutschen Automobilbauer haben hinsichtlich der Elektromobilität zu lange gezögert und gezaudert und sind auch jetzt noch nicht zu einem völligen Umdenken bereit!
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Die Nachricht über den Führungswechsel bei Volkswagen in der Software-Sparte Cariad zeigt, wie stark der Konzern mit der Umstellung auf Elektromobilität zu kämpfen hat. Aber es ist ja nicht nur VW betroffen, sondern viele deutsche Hersteller, die noch stark auf Verbrenner setzen, obwohl der Trend zu Elektroautos klar zu erkennen ist. In meinem Betrieb nutzen wir bereits alternative Antriebe von Volvotrucks, insbesondere für unsere LKW, was zeigt, dass ein Wandel auch im Transportsektor möglich ist. Ich denke aber, dass die Herausforderungen bei der Softwareentwicklung weiterhin ein zentrales Problem der Branche bleiben. Danke für den interessanten Beitrag!