Der Titel des Buches von Ulrike Herrmann ist leseanreizend zu verstehen. Die Autorin beweist natürlich nicht, dass der Kapitalismus eine Lösung ist. Im Untertitel heißt es ja auch: Die Krise der heutigen Ökonomie oder Was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können. Und um diese letzt genannten drei Autoren geht es im wesentlichen in dem Buch. Sie werden vorgestellt, jeweils mit einem Kapitel zu ihrer Entwicklung und ihrem persönlichem Werdegang, und dann werden in einem jeweils weiteren Kapitel ihre wissenschaftlichen Leistungen und ihre Irrtümer beleuchtet.
Im besten Sinne des Wortes ist das vorliegende Buch ein populär-wissenschaftliches. Es ist sehr gut geschrieben und lässt sich entsprechend gut lesen. Es ist sogar so gut gemacht, dass man Anhaltspunkte bekommt, wo man zuerst mit der Lektüre der zum Teil umfangreichen Werke (Marx) oder der schwer lesbaren Lektüre (Keynes) einsteigen sollte. Wenn man z.B. mit Keynes und seinem Hauptwerk „Die allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ anfangen will, dann sollte man, wie die Autorin auf einen Biografen von Keynes verweist, mit dem 2. Kapitel anfangen, dann mit dem 8.-13. weitermachen, und mit dem 18. Kapitel fortsetzen, um erst einmal Wesentliches an Keynes zu verstehen, und um nicht gleich von Formeln erschlagen zu werden (s. S. 269 des genannten Buches).
Eine Leserin schreibt in einer Leserzuschrift, dass man manchmal den Eindruck gewinnt, die Autorin sei die Lehrerin dieser Ökonomen: Adam Smith habe dies begriffen, aber jenes nicht. Ebenso wie bei Karl Marx, David Ricardo und John Maynard Keynes. Aber die Leserin meint das nicht negativ, sondern als Pluspunkt, wie sie schreibt. Und darin muss man der Leserin zustimmen.
Neben den drei bedeutenden Ökonomen streift aber die Autorin auch weitere Wissenschaftler, wie David Ricardo, Joseph Schumpeter, Milton Friedman und Ludwig Ehrhardt. Erst mit diesen Streifzügen werden die Leistungen von Smith, Marx und Keynes richtig eingebettet und der Leser bekommt eine Vorstellung von der gesamten Entwicklung der ökonomischen Wissenschaft.
Nach 1870 trat die neoklassische Ökonomie ihren Siegeszug an, die von Adam Smith und Karl Marx nicht mehr viel wissen wollte, eben deshalb deren Arbeitswertlehre verwarf und vom subjektiven Nutzen eines Gutes ausging. Sie konnte zwar das klassische Wertparadox lösen: Warum ist lebenswichtiges Wasser so viel billiger als ein unnützer Diamant? Ulrike Herrmann erläutert das in einem extra Kapitel, es hat mit der Seltenheit und dem subjektiven Nutzen zu tun, kommt aber in diesem Kapitel auf andere Ungereimtheiten der damals neuen Lehre zu sprechen.
Warum hat sich die neoklassische Ökonomie an den Lehrstühlen so breit gemacht, obwohl sie mit großen Nachteilen behaftet ist? Ulrike Herrmann: „In der Weltwirtschaftskrise [d.h. 1929-1932, S.S.] wurde offensichtlich, dass die Neoklassik an einem fundamentalen Denkfehler leiden musste, der weit darüber hinausging, dass diese Theorie kein Wachstum, keine Gewinne, keine technischen Innovationen und keine Großkonzerne kannte.“ (s. S. 151) Einmal ist es natürlich der verführerische mathematische Apparat, mit dem sich so viel „beweisen“ lässt, zum anderen gibt es eben auch in der ökonomischen Wissenschaft einen Mainstream, der prägend ist und zu dem sich, nach einer Angabe im Buch, 85 Prozent der Ökonomen rechnen. Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss dieser Masse von Ökonomen auf Beraterteams für Regierungen. Wohl auch deshalb hat die Autorin eines der letzten Kapitel ihres Buches überschrieben mit: „Der heutige Mainstream: Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung“. Dort schreibt sie, wieviel Billionen die falsche Theorie in der Finanzkrise gekostet hat, und dass zwar die neoliberalen/neoklassischen Ökonomen die Finanzkrise „ideologisch“ vorbereitet, aber nie daraus Lehren gezogen haben.
Aber gerade das zeichnet dieses Buch aus, dass die Autorin nicht nur in der Vergangenheit verharrt, sondern auch die Gegenwart ins Visier nimmt und Position bezieht.