Energie ist das Blut der Wirtschaft, insbesondere die Elektroenergie. Nun steht in Deutschland und in der Welt ein Umbau bei der Erzeugung der Elektroenergie an, weg von der kohlenstoffbasierten hin zur kohlenstofffreien Erzeugung, sprich alternativen Energieformen, wie Sonne, Wind, Biomasse und Wasser. Doch dieser Übergang passiert nicht im Selbstlauf, sondern muss gesteuert werden. Und genau an dieser Steuerung oder dem geordneten Übergang scheiden sich die Geister und die Politiker, zumal diese Transformation Geld kostet, viel Geld. Allein für Deutschland spricht man von ungefähr 550 Milliarden Euro – der jährliche Bundeshaushalt beträgt im Vergleich dazu ca. 500 Milliarden Euro, da sind Ausgaben für Militär, Soziales, Staatsbedienstete, Schulen usw. enthalten. Die EU-Kommission schätzt die Kosten an zusätzlichen Investitionen in der EU auf jährlich zwischen 175 und 290 Milliarden Euro.
Was bei der Energiewende nicht passieren darf, dass von einem Tag auf den anderen die Elektrostromerzeugung auf Kohlenstoff- oder auf Atomgrundlage abgeschaltet wird und nicht genügend Strom aus anderen Quellen vorhanden ist. Dann wird es kritisch. Also muss der Ausbau der alternativen Energiequellen neben den Plänen in Deutschland zur Abschaltung von Atomenergie (2022) und der Ausstieg aus der Kohleenergie (2038) forciert werden. Nach den Informationen des Umweltbundesamtes ist in den letzten Jahren der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung kontinuierlich gestiegen, [https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/erneuerbare-energien-in-zahlen#uberblick] s. nächste Grafik:
In der Grafik sieht man deutlich, dass der Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehr noch deutlich hinterherhinkt – das nur nebenbei.
Aber diese Grafik zur Elektroenergie-Erzeugung trügt ein wenig, denn das Umweltbundesamt merkt selber an:
„Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern übertraf im Jahr 2020 erstmals die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern (Kohle, Gas und Öl). Der aktuelle Anstieg basiert vor allem auf einem steigenden Zubau von Photovoltaikanlagen im Zusammenspiel mit günstigen klimatischen Bedingungen. Überdurchschnittliche Sonneneinstrahlung und gute Windverhältnissen vor allem im ersten Halbjahr 2020 sorgten für Wachstum sowohl bei Wind- also auch Photovoltaik-Anlagen. […] Die installierte Leistung von Windenergie an Land und auf See stieg im Jahr 2020 lediglich um 1.446 Megawatt (MW). Dies ist ein nochmaliger Rückgang gegenüber dem Vorjahr (2019: 2.000 MW). Insgesamt gab es seit dem Jahr 2000 nur 2 Jahre (2008 und 2010) mit weniger neu installierter Windenergieleistung.“ [s. obige Quelle]
Deutlich macht der geringe Zuwachs an neuen Windenergieanlagen unter der alten Bundesregierung (CDU/CSU/SPD) in den letzten drei Jahren auch eine Grafik aus der ARD-Fernsehsendung „Kontraste“ vom 15.07.2021:
Es sieht also mit der Windenergie, dem Hauptträger bei den erneuerbaren Energien, gar nicht so rosig aus, wie man auf den ersten Blick denken könnte. Und wenn sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzt, könnte das desaströs werden.
In dieses negative Bild passt auch, dass der gegenwärtige Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier erst im Juli seine bisherige Stromprognose für das Jahr 2030, an der er jahrelang festgehalten hatte, korrigieren musste. Er war bisher von 580 Terawattstunden ausgegangen und musste nun seine Prognose um rund 15 % erhöhen (650 bis 700 Terawattstunden) – Wahrscheinlich ist auch diese Prognose noch viel zu niedrig, Wärmepumpen und E-Autos sowie CO2-freie Wasserstoffgewinnung erhöhen zukünftig den E-Energieverbrauch erheblich.
Die Veränderung dieser Prognose für den E-Energieverbrauch in Deutschland ist kein kleiner Lapsus, sondern hat erhebliche Auswirkungen, wie Daniel Stelter, zwar etwas spitz, aber durchaus zu Recht in seinem Blog „beyond the obvious“ anmerkt:
“Laut exklusiven Berechnungen des EWI (Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln Seb. Solt.) für das Handelsblatt wird der Stromverbrauch in Deutschland bis 2030 auf 685 Terawattstunden steigen – von knapp 580 TWh im Jahr 2019. (…) Nach den EWI-Berechnungen wird Deutschland wegen des kräftigen Anstiegs des Stromverbrauchs im Jahr 2030 nur 55 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken – und damit das selbst gesteckte Ziel von 65 Prozent kräftig unterschreiten. Die Lücke entspricht der Leistung fast aller heute in Deutschland installierten Windräder – oder neun großen Atomkraftwerken.” – (Anmerkung von Stelter, bto): »die wir übrigens noch haben. Müsste man halt nur einschalten.« [https://think-beyondtheobvious.com/stelters-lektuere/wenn-die-lichter-ausgehen-werden-alle-schuld-sein-nur-nicht-die-schuldigen/]
In diesem Licht besehen sind viele gegenwärtige Aussagen und sogar die Meinung der augenblicklichen Regierungsparteien (CDU/CSU/SPD), man könne die Jahre zur Klimaneutralität noch verkürzen, angesichts bevorstehender Bundestagswahlen reine Lippenbekenntnisse. Zumal die größten Hindernisse der Energiewende noch bevorstehen: z.B. die Umstellung der Stahlwerke auf „grünen“ Wasserstoff; die Umstellung der Zementindustrie oder die Umstellung der Luft- und Schifffahrt. – Das ist wie beim Hochspringen, die ersten Zentimeter sind einfacher als die letzten, wenn die Latte schon sehr hoch liegt.
Immer wieder richtig nachjustieren!
„Deutschland wird den Klimawandel nicht allein verhindern können“, unbestritten! Der Havard-Politologe Stephen Walt merkt dazu in einem Spiegel-Interview an:
„Die globalen Emissionen werden sicher nicht von allen 192 UN-Mitgliedstaaten gleichermaßen verursacht, sondern von den 10, 15 größten Emittenten. Wenn sich nur 5 von denen auf ambitionierte Ziele einigen könnten, wäre das ein bedeutender Fortschritt.“ [Der Spiegel Nr. 33/2021 S. 83]
Gleichzeitig winkt natürlich denjenigen Ländern, die die Energiewende und damit den Kampf gegen den Klimawandel vorantreiben, ein technologischer Vorsprung – ein Vorteil, der wirtschaftsnahe Parteien (wie die CDU/CSU) natürlich reizt. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das in der Bundesrepublik 2000 eingeführt wurde und das sich die Förderung alternative Energien zum Ziel steckte, zeigt, dass es mit einem einmaligen Ziel die kohlenstoffbasierte Energiegewinnung zu ersetzen, nicht getan ist. Zwar wurde das Gesetz bis heute mehrmals verändert oder weiter „entwickelt“, aber nicht immer zum Vorteil der regenerativen Energien.
Leider hatte das EEG von Anfang an mehrere Schwachstellen. Ein Grundgedanke wurde zunächst gar nicht umgesetzt. Wenn man nämlich eine Technologie zum Durchbruch verhelfen will, muss man sie kostenmäßig günstiger machen gegenüber den Techniken oder Technologien, die man abschaffen will. Das ist genauso bei E-Autos, will man sie fördern, dann muss man Verbrenner teurer machen zugunsten der E-Autos. Zwar förderte man mit dem EEG die Erzeugung der alternativen Energien kostenmäßig, aber durch eine Umlage, die zu einer allgemeinen Erhöhung des Strompreises führte. Die Stromkosten der kohlenstoffbasierten Energieerzeugung tastete man erst einmal nicht an. So kam es, dass mit der wachsenden Erzeugung der regenerativen Energien die Stromkosten durch die Umlage in die Höhe schnellten. Die Politik machte Kopfstände, um diese wachsenden Kosten zu begrenzen, aber ging nicht das beschriebene Grundübel des EEG an. Erst als ein Preis für eine Tonne industriell erzeugten Kohlendioxids festgelegt wurde, was 2021 europaweit passiert, wird die Sache vom Kopf auf die Füße gestellt.
Eine andere Schwachstelle des EEG war eine Ausnahmeregelung des erhöhten Strompreises für bestimmte Betriebe. So richtig das war, einige energieintensive Betriebe aus der Regelung herauszunehmen, so verpasste man es völlig, Übergangsfristen zu definieren, um die Betriebe anzuregen, zukunftsfähige Lösungen zu finden. Nein, im Gegenteil, die Zahl der Betriebe, die in den Genuss der Ausnahmeregelung kam, stieg im Laufe der Zeit noch an. Das ganze zeigt die Verzerrung bei dem EEG (oder in den Köpfen der verantwortlichen Politiker?).
Worauf es jetzt ankommt!
Worauf es jetzt darauf ankommt ist, wieder eine gewisse Dynamik in die Förderung der alternativen Energien aufzunehmen. Das bedeutet nicht unbedingt, dass die Ausstiegszeitpunkte für die Atomenergie und die auf Kohle basierte Stromerzeugung oder die Klimaneutralität vorzuverlegen sind. Um alle Ziele zu erreichen, bedarf es erheblicher Anstrengungen und zusätzlicher finanzieller Mittel. Man muss immer bedenken, jede zusätzliche Verkürzung ist entsprechend teuer, denn es müssen zusätzliche finanzielle Anreize gesetzt oder finanzielle Unterstützung gewährt werden.
In der schon oben erwähnten ARD-Fernsehsendung „Kontraste“ vom 15.07.2021 behauptet ein ehemaliger grüner Bundestagsabgeordneter (Hans-Josef Fell, im Bundestag 1998 – 2013), dass schon 2020 zu 100 Prozent grüner Strom in der Bundesrepublik hätte produziert werden können. Er beziffert die dafür notwendigen finanziellen Mittel nicht. Aber genau das ist so ein Punkt, indem sich Ideologie mit wirtschaftlicher Effizienz beißt. Erst seit 2021 sind die europäischen Rahmenbedingungen für den Garaus der auf Kohle beruhenden Stromerzeugung mit der Einführung der Kosten für eine Tonne industriell erzeugten Kohlendioxids (und mit der allmählichen Steigerung dieser Kosten) viel günstiger als vorher. – Außerdem kann man nicht von einem Tag auf den anderen und auch nicht in wenigen Jahren alle herkömmlichen Kraftwerke abschalten, dazu braucht es schon eine gewisse Vorlaufzeit.
Die Grünen könnten in der Bundesregierung durchaus für eine gewisse Dynamik bei dem Vormarsch der regenerativen Energien sorgen. Ihr Problem ist nur, dass, wie obiges Beispiel mit dem Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell oder in der Bundeskanzler-Kandidatenkür von Annalena Baerbock (obwohl Robert Habeck viel bessere Aussichten hätte) zeigt, sie Energiepolitik ideologiebeladen betreiben könnten.