Marx These, dass der Gewinn oder der Vorteil eines Kapitalisten allein aus der lebendigen Arbeit entsteht, ist in dieser Form nicht aufrechtzuerhalten. Zweifel an dieser These wurden schon oft geäußert, freilich können weder Marx’ These noch ihr Gegenteil (dass nicht nur die lebendige Arbeit zum Gewinn des Kapitalisten beiträgt) bewiesen werden. Doch Plausibiltätsbetrachtungen sprechen gegen Marx’ These. Sie gilt nur im Anfangsstadium der kapitalistischen Produktion, als noch keine Maschinen verwendet wurden, aber nicht generell.
Kurz zu den Definitionen
Marx unterteilt das Kapital in zwei Teile: konstantes und variables Kapital: k = c + v
In das konstante Kapital fließen alle gegenständliche Produktionsmittel ein. In das variable Kapital gehen die Arbeitskräfte, bzw. die Kosten dafür ein. Die Arbeitskräfte haben die Eigenschaft, mehr Wert zu erzeugen, als sie selbst verbrauchen. Deshalb vermehrt sich das Kapital nach einem Reproduktionsdurchlauf um den Mehrwert m, den sich der Kapitalist aneignet: k’ = c + v + m
Erster Zweifel an der Richtigkeit von Marx’ Mehrwerttheorie
Schon aus der obigen Definition ergibt sich der erste große Zweifel an der Richtigkeit von Marx Mehrwerttheorie. Denn wenn der Mehrwert nur aus der lebendigen Arbeit oder aus dem Kapital für die lebendige Arbeit kommt, dann müsste die Wertschöpfung im nationalen Maßstab über Jahre lang relativ konstant bleiben, wenn keine neue Arbeitskräfte dazukommen. (Sie müsste sogar sinken, wenn das Kapital für Lohn kleiner wird.) Das steht aber in Widerspruch zur Realität. Die Wertschöpfung in den Industriestaaten steigt Jahr für Jahr (fast kontinuierlich) an, obwohl die Zahl der Arbeitskräfte kaum oder nicht zunimmt. Man könnte einwenden, dass die steigende Wertschöpfung sich auf die Marktpreise in den Industriestaaten bezieht, und vielleicht steigen die Marktpreise, die Tauschwerte aber bleiben konstant oder werden geringer, entsprechend der Definition von Marx: „Die Arbeit jedoch, welche die Substanz der Werte bildet, ist gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung derselben menschlichen Arbeitskraft.“ [Das Kapital I, Marx-Engels-Werke (MEW) Bd. 23, S. 53, Dietz Verlag Berlin 1968]. In einem solchen Fall hätten die Marktpreise nichts mehr mit den Marxschen Tauschwerten zu tun und die ganze Werttheorie (Arbeitswertlehre) wäre nicht mehr aktuell.
Übrigens hat schon Eduard Bernstein 1902 konstatiert: „Das Mehrprodukt nimmt überall zu, aber das Verhältniß seiner Zunahme zur Zunahme des Lohnkapitals ist in den vorgeschrittensten Ländern heute im Fallen.“ [Eduard Bernstein: Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie. Stuttgart 1902, Verlag von J.H.W. Dieck Nachf., S. 43]
Nebenbei bemerkt, sich auf das sinkende Lohnkapital zu berufen, wie es Bernstein tut, ist genauer, als sich auf die bloße Anzahl der Arbeitskräfte zu beziehen, denn es könnte ja sein, dass die Arbeitskräfteanzahl sinkt, aber die komplizierte Arbeit, wie das Marx nennt, steigt und damit auch das Mehrprodukt zunimmt.
Wir stoßen indessen bei Marx’ Mehrwertlehre auf mehr „Merkwürdigkeiten“. Dazu folgendes Gedankenbeispiel.
Ausgangsszenarium: Der Stecknadelfabrikant zu Adam Smith’ Zeiten
Nehmen wir mal einen Stecknadelfabrikanten zu Adam Smith’ Zeiten. Es gibt zwar schon Arbeitsteilung in der Fabrik, wie sie Smith beschrieben hat, aber es gibt noch fast keine Maschinen. In Smith’ Beispiel sind 10 Arbeiter beschäftigt. Gewissermaßen herrscht Handarbeit trotz der Arbeitsteilung vor. Manche Arbeiter machen zwei bis drei Arbeitsoperationen.
Als konstantes Kapital soll nur das Fabrikgebäude (hier als Haus bezeichnet) und der Materialeinsatz (hier vor allem Draht) gelten und als variabler Anteil am Kapital soll nur der Lohn (hier täglich verdient) gelten. Der Mehrwert ist der Wert, den der Kapitalist nach Marx durch Aneignung der Mehrarbeit der Manufakturarbeiter erzielt. Dieser Gewinn oder Mehrwert kann ja nur aus den Arbeitern kommen, weil sonst fast nichts weiter eingesetzt wird. Das Arbeitsmaterial (Draht) und die Abschreibung vom Haus pro Tag sind verständlicherweise gegenüber dem täglichen Lohn für die Arbeiter gering. Der Fabrikant kann alle seine Nadelpakete, die er am Tag fertigen lässt, auf dem Markt absetzen. Der Arbeits- oder Tauschwert für seine n Pakete Nadeln ist dann:
Tauschwertfür n Nadelpakete = cMaterial + Abschreibung vom Haus + vLohn bei Handarbeit + mHandarbeit/Tag
Die Profitrate für den Fabrikanten berechnet sich für den Tag:
Und nach Marx ist entsprechend die Mehrwertrate:
Das ist sozusagen unser Ausgangs- (Mathematiker sagen auch Anfangswert). Und so, wie Marx das aufschreibt, ist das auch richtig. Man sieht dabei, dass sich Mehrwertrate und Profitrate nicht viel unterscheiden.
Anschaffung einer Maschine
Nun nehmen wir mal an, plötzlich kommt der Fabrikbesitzer in die Segnungen des modernen Zeitalters und kann sich eine Stecknadelmaschine anschaffen, die vieles maschinell ausführt, außer vielleicht die Verpackung. Diese Maschine schafft genauso viel wie die Arbeiter vorher, ist aber viel billiger. Der Fabrikant braucht also viel weniger Arbeitskräfte als vorher, auch wenn er vielleicht eine Arbeitskraft zur Wartung der neuen Maschine abstellen (oder einstellen) muss, und für die Verpackung braucht er auch noch eine. Er entlässt also acht der zehn Arbeiter, die er vorher hatte. Und außerdem soll die Maschine am Tag an Abschreibung das kosten, was vorher zwei Arbeiter gekostet haben. Also:
cAbschreibung Maschine = 0,2 vLohn bei Handarbeit
Nun gehen wir mal umgekehrt vor (nur aus Verständnisgründen) und schreiben erst die Mehrwertrate entsprechend Marx auf:
Der Mehrwert von 0,2 m erklärt sich aus der Masse des Mehrwerts. Wenn die Arbeitskräfte auf 0,2 (= 20%) fallen und damit der Gesamtlohn auf 0,2 sinkt, muss auch die Größe des Mehrwerts auf 0,2 sinken. Die Mehrwertrate hat sich somit nicht verändert. Nach Marx trägt ja allein die lebendige Arbeit (das variable Kapital) zum Mehrwert bei.
Die Profitrate wäre dann, wieder nach Marx:
und das ergibt nach obigem Einsetzen für cAbschreibung Maschine in diese Profitrate
das ergibt für die
Wenn wir die beiden Profitraten vergleichen, die wir, entsprechend Marx’ Vorschlägen, aufgeschrieben haben, einmal vor Einsatz der Maschine (wir haben sie als Handarbeit bezeichnet) und einmal nach Einsatz der Maschine, dann sehen wir:
denn der Nenner ist im Vergleich zum Zähler ja größer geworden. Gewissermaßen wird also der Kapitalist für seinen Einsatz der Maschine mit einer sinkenden Profitrate „bestraft“. Doch wie entkommen wir diesem Widerspruch oder Paradoxon?
Marx hat versucht, das Problem mit seiner durchschnittlichen Profitrate zu lösen. Dazu etwas später.
Wer sagt eigentlich, dass der Fabrikant für ein Stecknadel-Paket, wenn er es verkauft, weniger bekommt als früher? Nur weil er sich eine Maschine zur Produktion angeschafft hat, hat sich doch beim Verkauf nichts geändert! Solange er seine Nadelpakete abgenommen bekommt, braucht er am Preis nichts zu korrigieren. Und er wäre auch schön „dumm“, wenn er den Preis verringern würde, nur weil er jetzt anders als früher produziert, das Produkt sich aber nicht verändert hat! Er steckt den höheren Gewinn einfach in die Tasche. Vielleicht kauft er sich u.a. damit eine zweite Stecknadel-Maschine. Diese Überlegung hieße aber, dass die Profitrate anders berechnet werden muss, und zwar:
Gegenüber der Profitrate bei Handarbeit
sehen wir jetzt, dass sich die Profitrate nach Einsatz der Maschine erhöht hat, denn der Nenner hat sich ja verkleinert. Erhöhung der Profitrate, genau das ist es, was der Fabrikant mit dem Einsatz der Maschine angestrebt hat. Und das passiert immer: Durch die Einführung neuer Technik in einzelnen Produktionen erhöht sich die Profitrate. Und ebenso sinkt sie durch Konkurrenz, wenn nämlich alle Fabrikanten diese Technik bei sich einführen. Dazu kommen wir gleich noch einmal. (Freilich, wenn der einzelne Kapitalist ein Monopol hat oder vom Staat geschützt wird – was schon Adam Smith erwähnt –, dann sinkt die Profitrate nicht, weil der Kapitalist gewissermaßen abgeschottet wird.)
Bis jetzt besteht aber noch kein Widerspruch zu Marx, denn Marx räumt ja auch die Möglichkeit von Extramehrwert oder Extraprofit ein.
Profitrate bei Konkurrenz
Nehmen wir nun an, dass auch andere Nadelfabrikanten, mit dieser Stecknadelmaschine produzieren würden. Dann würde sich die Profitrate bei dem bisher betrachteten Fabrikanten verkleinern, aber sie sollte nicht kleiner werden als früher bei der fast reinen Handarbeit, also:
wobei f ein verkleinernder Mehrwertsfaktor ist, der zwischen 1 > f > 0,2 liegt. Auf alle Fälle ist der verkleinernde Mehwertsfaktor größer 0,2, da ja der Fabrikant Aufwendungen durch die Anschaffung und die Wartung der Maschine hat. Doch die Konkurrenz drückt ihn unter 1, da ja seine erzielte Profitrate nach Anschaffung der Maschine weit über der üblichen Profitrate lag. Er hat sozusagen nach Marx vorher einen Extramehrwert oder Extraprofit erzielt.
Der Arbeitswert sollte ebenfalls entsprechend so geschrieben werden:
Arbeitswertfür n Nadelpakete nach Einsatz der Maschine bei Konkurrenz =
= cMaterial + Abschreibung vom Haus + 0,4 vLohn bei Handarbeit + f mHandarbeit/Tag
Wieder mit dem verkleinernden Mehrwertsfaktor von 1 > f > 0,2.
Kann denn das aber richtig sein, dass der Arbeitswert bzw. der natürliche Wert, wie Adam Smith sagt, nicht genau bestimmt ist? Bevor wir diese Frage beantworten, fragen wir mal anders herum: Wodurch wäre diese Erscheinung bedingt? Durch die kapitalistische Produktionsweise, die durch Konkurrenz und Wachstum bestimmt ist! Entscheidend ist nun nicht mehr allein, wieviel Handarbeit genau in ein Produkt hineingesteckt wurde, sondern wie hoch die Profitrate ist, die damit erzielt werden kann. Die Länder mit hoher maschineller Produktion, mit hoher Automatisierungstechnik und Computereinsatz sind den Ländern gegenüber, wo noch mehr Handarbeit herrscht, im Vorteil. Anders herum wäre es auch sehr merkwürdig! Entsprechendes gilt für Kapitalisten. Wenn sie es schaffen, Handarbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen, und dabei unter den Kosten für die Handarbeit bleiben, sind sie gegenüber den anderen Kapitalisten im Vorteil. Freilich setzt das voraus, dass man Kosten berechnen kann, also dass es Marktpreise gibt, die relativ stabil sind, so stabil, dass man damit rechnen kann.
Marx’ These von den Durchschnittsprofitraten
Weicht obige Betrachtung der Darstellung der Arbeitswerte von Marx’ Mehrwerttheorie ab? Ja und Nein. In seinen Manuskripten zum Mehrwert [Marx-Engels-Werke abgekürzt: MEW 26 1,2,3 Dietz Verlag Berlin 1968] betont Marx, dass die Produkte dem Wertgesetz entsprechend sich gegeneinander austauschen im Verhältnis zu ihrer Produktion gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit. [ Z.B. „Da nun der Wert bestimmt ist durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, nicht durch die Arbeitszeit, die der einzelne Produzent braucht,…“ MEW 26 1, S. 204] Engels muss das im dritten Band des Kapitals erweitern, wenn er auf die Profitraten zu sprechen kommt: „Da nun die Produkte dem Wertgesetz gemäß sich gegeneinander austauschen im Verhältnis der zu ihrer Produktion gesellschaftlich notwendigen Arbeit, und da für den Kapitalisten die zur Herstellung seines Mehrprodukts notwendige Arbeit eben die in seinem Kapital aufgehäufte, vergangene Arbeit ist, so folgt, daß sich die Mehrprodukte austauschen nach dem Verhältnis der zu ihrer Produktion erheischten Kapitale, nicht aber nach dem der wirklich in ihnen verkörperten Arbeit. Der auf jede Kapitaleinheit fallende Anteil ist also gleich der Summe aller produzierten Mehrwerte, dividiert durch die Summe der darauf verwandten Kapitale.“ [Kapital Bd. III, MEW 25, S. 18, Vorwort von Engels zum Kapital III, wobei er sich auf Marx’ Manuskripte stützt!]
Machen wir das einmal so, wie Engels vorschlägt, berechnen wir die Durchschnittsprofitrate nach Marx der beiden Nadelfabrikanten:
Dazu müssen wir festlegen, in welchem Verhältnis c und v stehen sollen. Wir hatten bisher nur festgelegt, dass das konstante Kapital klein gegenüber dem variablen sein soll. Sagen wir nun: 10:90, und der Mehrwert gegenüber dem Lohn soll sich 1:1 verhalten.
Die Mehrwertrate ist dann:
Und die Profitrate ist:
Die Werte in die Formel für die Profitrate ergibt:
= 0,9 oder in Prozent ausgedrückt: 90 %
Die Profitrate nach Marx aufgeschrieben nach Einsatz der Maschine war:
In diese Formel die Werte eingesetzt ergibt:
= 0,4 oder 40 %.
Nach Engels, der sich auf Marx stützt, ergibt sich, dass sich die Mehrwerte, d.h. die Werte, denn die Mehrwerte können sich allein nicht austauschen, wie die Summe der Mehrwerte ins Verhältnis gesetzt zur Summe der Kapitale bei Handarbeit und bei Maschinenarbeit, also:
= 0,733 bzw. 73,3 %.
Was interessant ist, auch bei Marx können sich die Ware nicht mehr allein nach ihrer notwendig gesellschaftlichen Arbeitszeit austauschen, sondern müssen korrigiert werden mit einem bestimmten Faktor, den Marx nach obiger Definition berechnet. Mit diesem Faktor „rettet“ er seine Werttheorie, denn immer noch, wenn auch mit einem Faktor verändert, ist die lebendige Arbeit oder das variable Kapital die Quelle des Mehrwertes.
Zweiter Zweifel an der Richtigkeit von Marx’ Mehrwerttheorie
Allein aus der Mehrwerttheorie heraus kann man ihre Richtigkeit oder Falschheit nicht „beweisen“, das haben wir auf den letzten Seiten gesehen. Man stößt aber, wenn man sie mit der Realität vergleicht, auf einige Widersprüche. Solch ein Widerspruch resultiert aus der These der Durchschnittsprofitraten nach Marx. Auf der einen Seite muss er diesen Weg gehen, um zu erklären, warum sich Kapitale in Branchen mit hohem Anteil an konstanten Kapital und niedrigem variablen Kapitalanteil nicht schlechter stellen, als Kapitale in Branchen mit niedrigem konstanten Kapitalanteil und hohem variablen (weil ja ein Ausgleich der Profitraten erfolgt). Auf der anderen Seite aber gerät Marx in Erklärungsnot. Er greift gewissermaßen auf einen statistischen „Trick“ zurück. Er addiert alle Mehrwerte und alle Kapitale und bildet einen Durchschnitt, als würde eine Ware „wissen“, wie die anderen Waren hergestellt werden. Denn die durchschnittliche Profitrate greift auch in den Austausch der Waren ein. Die Waren mit einem hohen konstanten Kapitalanteil und niedrigem variablen Anteil tauschen sich gegenüber den Waren mit einem niedrigem konstanten Kapitalanteil und einem hohen variablen Kapitalanteil mit einem zusätzlichen Multiplkations-Faktor (größer oder kleiner 1) aus. Am Ende soll zwar wieder das Wertgesetz stimmen, aber wie das passiert ist höchst mysteriös. Die Kapitalisten sind, wie Marx das auch betont, isoliert. Für ihren eigenen Betrieb können sie eine einheitliche Profit- oder Gewinnrate errechnen, das gilt aber nicht im Gesamtmaßstab aller Kapitalisten. Die einzelnen Kapitalisten sind nur über die Konkurrenz miteinander verbunden (es sei denn, sie treffen Preisabsprachen!). So konsistent Marx’ Wertlehre zu sein scheint, an dieser Stelle ist sie doch arg beschädigt, und Bernstein hat völlig, dass sie zur rein gedanklichen Konstruktion wird. [Eduard Bernstein: Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie. a.a.O. S. 38]
Schlussfolgerung
Wo ist der Ausweg aus dieser Kalamität? Eigentlich weist schon Engels in seinem angeführten Zitat den Ausweg, denn er schreibt ja: „…und da für den Kapitalisten die zur Herstellung seines Mehrprodukts notwendige Arbeit eben die in seinem Kapital aufgehäufte, vergangene Arbeit ist, so folgt, daß…“ [kursiv von Seb. Sol.]. Auch in dem konstanten Kapital, soweit es Maschinen betrifft, ist aufgehäufte, vergangene Arbeit enthalten!
Was ist eigentlich der Sinn einer Maschine? Lebendige Arbeit, aber auch aufgehäufte, vergangene Arbeit zu reduzieren! Ob das dem Kapitalisten gelingt, zeigt die Profitrate, aber nicht die von Marx, die auf den Marxschen Mehrwert abzielt, sondern diejenige, die mit dem Gewinn verknüpft ist, und die auf das gesamte Kapital Bezug nimmt. Woher kommt dann der Gewinn? Er kommt sowohl aus der Maschinerie als auch aus der lebendigen Arbeit. Er ist somit keine feste Größe, sondern ist historisch veränderlich. Genauso wie der Wert eine historisch veränderliche Größe ist, der sogar auch örtlich abhängig sein kann. Denken wir nur an zwei Stecknadelfabrikaten, der eine lässt in einer Manufaktur in Frankreich mit viel Handarbeit produzieren und der andere Fabrikant produziert in England, aber mit einer Stecknadelmaschine, so wie seine anderen englischen Wettbewerber auch. Die Werte beider Stecknadelpakete werden unterschiedlich sein.
Marx sagt, dass die Arbeitskräfte die Eigenschaft besäßen, mehr Wert zu schaffen, als sie ausgezahlt bekommen. Diesen Wert bezeichnet Marx als Mehrwert. Ebenso besitzt bestimmte Maschinerie im Kapitalismus die Eigenschaft, mehr Wert zu schaffen, als sie eigentlich in der Unterhaltung und in der Anschaffung kostet. Aber diese Eigenschaft ist nicht absolut, sondern hat ihre Eigenheiten, z.B., dass sie zeitlich abhängig ist. Wenn alle Fabrikanten dieselben Maschinen einsetzen, dann schaffen sie viel weniger Mehrwert für den einzelnen Kapitalisten, als wenn sie nur einer anwendet.
Auch hier noch einmal ein Verweis auf Eduard Bernstein: „Wie bekannt hat Friedrich Engels in einem nachgelassenen Aufsatz, der in der Neuen Zeit vom Jahre 1895/96 abgedruckt ist, auf eine Lösung des Problems durch die geschichtliche Betrachtung des Vorgangs hingewiesen. Das Werthgesetz hat danach wirklich unmittelbar gegolten, es hat den Waarenaustausch unmittelbar wirklich beherrscht in der, der kapitalistischen Wirthschaft vorhergehenden Periode des Waarentausches. […] Wie sich aber das Kapital zwischen den wirklichen Produzenten und den Konsumenten schiebt, zuerst als Handels- und kaufmännisches Verlegerkapital, dann als Manufaktur-Kapital und schließlich als großindustrielles Kapital, verschwindet der Arbeitswert immer mehr von der Oberfläche, und in den Vordergrund tritt der Produktionspreis.“ [Eduard Bernstein: Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie. a.a.O. S. 38]